Der Zeigarnik-Effekt: Produktivitätskiller und doch ein guter Trick!

Bist du auch schon einmal mitten in der Nacht aufgewacht und konntest nicht einschlafen, weil dir so viele offene Aufgaben im Kopf herumspukten? Dieser unfertige Kundenauftrag, dann die überfällige Steuererklärung oder das Geburtstagsgeschenk für die beste Freundin, für das du so gar keine Idee hast?

Wenn du feststellst, dass dein Schlaf oder deine Konzentration bei der Arbeit immer wieder durch Dinge gestört werden, die du noch erledigen oder abschließen musst: Die Sache hat einen Namen. Der Zeigarnik-Effekt.

Die gute Nachricht: Du kannst verhindern, dass er dich stört – und ihn sogar manchmal zu deinem Vorteil nutzen. So geht das:

Zeigarnik-Effekt? Ist was?

Vor etwa 100 Jahren beobachtete die Psychologin Bljuma Wulfowna Zeigarnik in einem Café, wie unglaublich geschickt sich ein Kellner all die vielen Bestellungen merken konnte. Doch sobald das Essen ausgeliefert war, verschwanden sie aus seinem Gedächtnis. Nur offene Bestellungen waren ihm präsent.

Sie überprüfte das Phänomen mit einer Zahl Probanden, die sie Aufgaben lösen ließ. Die konnten sich zu einem hohen Prozentsatz ebenfalls nur an die noch nicht abgeschlossenen Aufgaben erinnern. Sie bleiben einfach im Gedächtnis haften. Doch das kann auch negative Auswirkungen haben.

Wir und der Zeigarnik-Effekt

Wenn du auch so ein Serien-Junkie bist wie ich, erlebst du den Zeigarnik-Effekt in der Praxis: Die Werbung setzt immer dann ein, wenn es spannend wird, und solange die Geschichte der Heldin nicht zu einem sinnvoll empfundenen Abschluss gekommen ist, willst du nicht abschalten. Die Spannung bleibt erhalten, die Gedanken gehen immer wieder zur Serie hin. Und du ergibst dich dem Binge Watching, statt mal früher schlafen zu gehen oder die letzten Sonnenstrahlen draußen zu genießen.

Noch schlimmer wirkt sich der Zeigarnik-Effekt im Beruf aus: So stören uns unerledigte Dinge und unvollständige Aufgaben nicht nur direkt bei der Arbeit, weil sie uns immer wieder ins Gedächtnis kommen und unsere Konzentration von wichtigen Dingen ablenken. Oft verfolgen uns offene ToDos sogar im Schlaf oder verhindern, dass wir unsere Freizeit voll uns ganz genießen. Weil da ja noch etwas zu erledigen ist, dass sich immer wieder meldet und uns Schuldgefühle macht.

Immer mehr offene Posten

Auch wenn wir gerne an der aktuellen Aufgabe dranbleiben wollen: Gerade in der modernen Arbeitswelt werden wir täglich von Mengen kleiner, super dringender Sachen daran gehindert, unsere Prio 1 Dinge erledigt zu bekommen. Und die bleiben dann am Ende des Tages mit offenen Posten auf unserer ToDo-Liste sitzen. Die uns bis in Freizeit oder Schlaf verfolgen.

Dazu kann es auch kommen, wenn wir ein besonderer Typ von Prokrastinierern sind: Die, die Projekt und Aufgaben begeistert beginnen, aber sie ungern zuende bringen und immer wieder aufschieben. Weil die Spannung oder der Spaß an der Aufgabe nachgelassen haben. Oder weil wir uns Sorgen darüber machen, wie perfekt wir das Ergebnis abliefern können. Zum Dank dafür schleppen wir das Projekt dann weiter mit uns herum. Es liegt uns auf der Seele und mischt sich ungefragt in unsere inneren Dialoge ein: Mach mich endlich fertig!

Was du jetzt tun kannst

Wenn du eine Liste von offenen ToDos oder angefangenen Projekten hast: Mit diesen Tricks gehst du sie strategisch an.

Mach sie fertig!

Nimm dir eine deiner halbfertigen Aufgaben vor und führ sie zu Ende. Jetzt gleich. Sollte sich wieder eine neue gute Idee melden, während du dabei bist, deine “Schulden” abzuarbeiten: Lass dich nicht unterbrechen, weiche nicht aus, sondern schreib diesen neuen Geistesblitz auf uns vertage ihn auf später. Wenn dich jemand anruft oder persönlich unterbricht: Mach einen Termin für das Gespräch. Wenn das im täglichen Geschäft zu schwer ist: Reserviere dir täglich eine stille Stunde, um ungestört deine Projekte zu Ende zu führen. Schritt für Schritt.

Wenn du nicht gleich ans Werk gehen kannst

Schaff dir wenigstens die schlechten Gedanken vom Hals und verhindere, dass sie dich bis in den Schlaf verfolgen: Plane Zeit dafür ein, deine offenen Aufgaben fertig zu stellen. Und beschreibe den nächsten Schritt, den du dafür tun musst, ganz konkret. Z.B. in einer ToDo-Liste (nicht meine erste Wahl) oder mit Timeboxing. Oder in deinem Bullet Journal, deinem Kanban-Board oder Projektmanagement-Tool. Egal wo: Hauptsache du kannst den Gedanken loslassen und weißt genau, wann und mit welchen Schritten du weitermachen kannst.

Noch besser: Du lässt es garnicht so weit kommen.

Mach also deine offenen oder unfertigen Aufgaben von vorneherein sichtbar und planbar. So tust du dir nicht mehr auf den Teller, als du in absehbarer Zeit erledigen kannst.

Wenn du dein Selbstmanagement mit Personal Kanban betreibst, kennst du das Prinzip des WiP (Work in Progress). Das sind die Aufgaben, die du gerade am Laufen, aber noch nicht abgeschlossen hast. Personal Kanban basiert darauf, dass die Zahl der WiP-Aufgaben, die man gleichzeitig betreut, begrenzt sein muss. Das hat den Vorteil, dass du nicht zu viele offene Baustellen hast und dein Gehirn sich nur mit dieser eingeschränkten Zahl von Aufgaben beschäftigt.

Meist nimmt man 5 Aufgaben, die man zur gleichen Zeit jongliert. Und zieht sich erst dann wieder neue Aufgaben ins Blickfeld, wenn die alten abgeschlossen sind oder wegen externer Einflüsse (fehlende Informationen oder Zuarbeit von Kollegen, die noch aussteht) im Wartebereich lagern.

Ob 3 oder 5 oder etwas mehr: Starte mit einer willkürlichen Zahl WiP und passe sie nach Erfahrung an. Personal Kanban ist also ein guter Trick, um nicht zu viele Bälle zugleich in der Luft zu halten. So verhinderst du, dass der Zeigarnik-Effekt gegen dich arbeitet.

Auch mit dem Bullet Journal kannst du deine offenen Aufgaben so verwalten, dass du pro Monat, Woche oder Tag nur die Dinge siehst, die du in diesem Zeitraum erledigen kannst. Was nicht hereinpasst, kann verschoben und zum geeigneten Moment angegangen werden.

So profitierst du sogar vom Zeigarnik-Effekt

Ja, auch das gibt es: Wenn du wichtige Aufgaben schon sehr lange auf deiner ToDo-Liste mit dir herumschleppst und sie immer wieder aufschiebst, weil sie dir einfach nicht liegen, aber gemacht werden müssen: Nimm dir so eine unangenehme Sache einmal für ganz kurze Zeit vor und fange einfach an: Eine Viertelstunde oder – wenn es ganz schlimm ist: nur 5 Minuten. Starte mit der Sache und beschäftige dich mit ihr. Fang an und profitiere vom Zeigarnik-Effekt, weil dir die Sache ab sofort immer wieder in den Sinn kommt. Bis du dich dazu durchgerungen hast, sie fertig zu stellen.

Noch besser: Arbeite so lange, bis du einen günstigen Punkt erreicht hast, an dem du weißt, wie du morgen weiter machen sollst. Also höre nie auf, wenn es schwierig wird, sondern dann, wenn du schon die Lösung kennst, mit der es weiter gehen kann. Wir lieben es nun einmal einfach und wollen Stress und ungeklärte Situationen vermeiden. Mit diesem Trick hilfst du dir, deine Aufgaben am nächsten Tag mit einem Warmstart anzugehen. Das ist der Hemingway-Effekt.

Bild: Alexa

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