Wo ist meine Zeit geblieben?
Stellst Du Dir diese Frage auch oft nach einem hektischen Tag voller Anrufe, Kundentermine, Meetings und vielleicht etwas Arbeit an Deinem wichtigsten Projekt? Die Zeit ist Dir quasi zwischen den Fingern zerronnen und Du hast nicht das Gefühl, wirklich etwas geschafft zu haben. Obwohl Du einen vollen Arbeitstag hinter Dir hast, verfestigt Dich bei Dir das Gefühl, dass Du nicht weiter gekommen bist. Auf der ToDo-Liste gibt es noch zu viele unerledigte Punkte, die Prio 1 haben.
Hier die schlechte Nachricht: Mit dem bloßen Gefühl, dass etwas mit Deinem Zeitmanagement schief gelaufen ist, kommst Du leider nicht weiter. Du hast so keine meßbaren Fakten, die Dir zeigen, wo Du Zeit vielleicht für die falschen Aufgaben verwendet hast, was einfach viel länger gedauert hat als geplant und wo Du wieder einmal überraschend gestört wurdest.
Es gibt auch eine gute Nachricht: Du kannst den Zeitfressern ganz einfach auf die Spur kommen!
Finde heraus, wohin Deine Zeit fließt
Wenn Du bisher nur pi mal Daumen geschätzt hast, wie lange Du was getan hast, verschaffst Du Dir jetzt eine saubere Datenbasis. Erfasse nur für eine Woche all Deine Tätigkeiten, und Du hast einen groben Überblick. Zwei oder drei Wochen sind besser, weil sie durch die größere Datenmenge Zufälligkeiten wie Feiertage, Krankheiten, besondere Stress-Situationen und einseitige Tätigkeiten (z.B.: Du bist 2 Tag auf einem Kongress) ausgleichen.
In unserer modernen Arbeitswelt ist die Trennung zwischen Beruf und Privatleben nicht immer so sauber: Du kommst später, weil Du Deine Kinder noch zur Schule bringst, bearbeitest aber nach Feierabend zuhause noch wichtige E-Mails. Die reine Anwesenheit am Arbeitsplatz hat für viele Menschen keine Aussagekraft mehr über ihre wirkliche Arbeit. Nicht nur aus dem Grund ist es wichtig, all Deine Zeit zu beobachten. Du bekommst dann ein umfassendes Bild darüber, ob und wie Du Deine Zeit zu Deinem Wohl und zur Erreichung Deiner Ziele verwendest.
Die Erfassung Deiner Zeiten und ihrer Verwendung macht erst einmal Mühe, bringt Dir dann aber eine unersetzliche Erkenntnis, ob Du an den richtigen Aufgaben arbeitest, genug Zeit für Deine Familie und Dein Wohlergehen verwendest und Deinem Ziel näher kommst.
Was beobachtest Du?
Es liegt an Dir, welche Bereiche Deines Lebens Du tracken willst. Erfasse zunächst die Bereiche als Kategorien, in die Du Deine Zeiten einordnest. Je komplexer Dein berufliches und persönliches Beziehungsgeflecht ist, desto genauer solltest Du die Bereiche unterscheiden. Ein Beispiel: Du hast eine Familie, aber auch einen weiten Freundeskreis und bist Mitglied in mehreren Vereinen. Hier sehe ich drei Kategorien im privaten Bereich: Familie, Freund, Vereine. Oder Du arbeitest angestellt und baust Dir daneben ein eigenes Business auf: Das sollten zwei Kategorien sein.
Bitte vergiss dabei auch nicht die Zeit, die Du für Dein persönliches Wohlbefinden brauchst: Pausen, Fitness, Weiterbildung oder einfach nur mal vor dem Fernseher abhängen. Wenn Du alle Zeiten einer Kategorie zuordnest, siehst Du bald, wohin Deine Zeit fließt. Diese Kategorien empfehle ich als Basis, Du solltest sie aber den wichtigsten Rollen und Bereichen Deines Lebens anpassen:
- Familie (Kinder bespaßen, Steuer machen, Schwiegereltern anrufen, Hund ausführen)
- Freunde und Vereine (Kumpel / Freundin anrufen, Skatabend organisieren, Vorstandssitzung leiten)
- Ich (Meditieren, Haare waschen, Laufen gehen, Netflix schauen, Buch lesen)
- Hausarbeit (Einkaufen, Waschmaschine füllen, Klempner bestellen)
- Fahrzeiten (ist gerade nicht so sehr ein Thema wg. Corona)
- Berufliches (am Arbeitsplatz erscheinen, Kundentelefonat, Präsentation vorbereiten)
- Projekt 1 (alles, was Dein aktuelles berufliches Projekt betrifft und Dich diesem Ziel näher bringt)
- Projekt 2 (es gibt normalerweise nicht nur ein Projekt zur gleichen Zeit)
Das „Was“ ist nun klar. Das „Wie“ hängt an Deinen persönlichen Präferenzen: Lebst Du digital und vernetzt oder lieber analog? Hier schlage ich Dir ein paar Tools und Methoden vor, wie Du Deine Zeit in den Griff bekommst.
Ganz analog: Dein Zeit-Tagebuch mit dem Bullet Journal
Wenn Du lieber mit der Hand schreibst, statt alles über die Tastatur zu erledigen, ist das Bullet Journal Dein Freund. Richte Dir großzügig Seiten für jeden Tag dieser Woche ein und verwende auf Deiner Key-Seite Symbole oder Farben für Deine wichtigsten Bereiche. Vielleicht legst Du ja auch für jede Lebens-Kategorie eine eigenen Spalte an. So kannst Du die Daten am Ende des Tages einfacher zusammenrechnen. Hier findest Du ein paar Layoutvorschläge für Deine Zeiterfassung im Bullet Journal.
Schau auf die Uhr, wenn Du mit einer Arbeit beginnst, und notiere sie sowie das Ende. Das verlangt etwas Disziplin, besonders, wenn Du durch Anrufe oder Personen, die Dich von Deiner aktuellen Tätigkeit wegholen, abgelenkt wirst.
So hältst die Dauer Deiner Telefonate fest
Wenn Du herausfinden willst, wie lange ein Telefonat gerade gedauert hat, kannst Du das auf dem iPhone so nachprüfen:
- geh auf das Telefon und Deine Anrufliste
- wähle Deinen letzten Gesprächspartner über das Info-Symbol aus
- dann siehst Du eingehende und ausgehende Anrufe mit der Minuten-Zahl
Bei manchen Festnetztelefonen wie Siemens Gigaset kannst Du die Dauer des Gesprächs kurz nach dessen Ende und vor dem Ablegen in der Ladeschale sehen.
Time Tracking mit Excel oder Libre Office
Wenn Du sowieso den ganzen Tag am Rechner sitzt, ist eine einfache Tabelle mit Excel oder Libre Office Dein Freund. Der Vorteil: Du kannst das Blatt durchgehend führen und die Spalten mit Deinen Lebensbereichen werden unten automatisch zusammengezählt. Ich habe ein einfaches Excel für Dich angelegt, mit dem Du Deine Zeiten erfassen kannst. Trage Deine Tätigkeiten als Stunden und Minuten im Format hh:mm (Stunden:Minuten) in die Spalten ein, und in Zeile 100 werden sie summiert und im Format tt:hh:mm (Tage:Stunden:Minten) ausgegeben.
Ganz professionell und automatisch funktioniert diese Vorlage, die für die Zeiterfassung im Beruf gedacht ist. Proboiere einfach aus, was besser für Dich passt.
Timetracking mit der App
Wer es ganz genau wissen will, verfolgt seine Tätigkeiten mit einer App. Es hat den Vorteil, dass diese Anwendungen meisten synchron auf mehreren Geräten laufen. Du kannst morgens daheim Deine Tätigkeiten auf dem Smartphone eingeben, tagsüber im Büro auf dem Rechner. Je nach App läuft die Stoppuhr im Hintergrund mit und zeichnet die Zeit auf, die Du bei einer Tätigkeit verbrauchst. Hier gibt es eine umfangreiche Übersicht zu Timetracking-Software für alle Systeme.
Wer es etwas haptischer mag, wird vielleicht mit Timeular glücklich. Der Würfel ist mit einer App verknüpft und wechselt die Aufgabe, die er trackt, durch ein Drehen des Objekts.
Ich bevorzuge Clockify.me und benutze es sowohl für das Aufzeichnen meiner Projektzeiten als auch immer wieder mal zur Kontrolle, wo meine Zeit bleibt.
Deine Zeit mit Clockify.me
Die App ist für die meisten Anwendungen, die Du brauchst, kostenlos und läuft auf Windows, Mac OSX, Linux, iOS und Android. So kannst Du Deine Einträge zwischen den Geräten synchronisieren.
Deine Lebens- und Arbeitsbereiche legst Du als Projekte an. Zu jedem Projekt kannst Du die Zeiten im Detail als Task festhalten.
Auf der Übersichtsseite Time Tracker trägst Du Deine Tätigkeiten mit einem kurzen Infotext ein und weist sie einem Deiner Projekte (= Bereiche) zu. Dann kannst Du gleich die Stoppuhr starten oder – wenn Du z.B. zur Arbeit gefahren bist und dabei den Tracker nicht laufen lassen willst – Deine Zeiten von – bis eintragen. Das Format ist in 12 Stunden-Blöcken, amerikanisch, also Zeiten AM (0 bis 12 Uhr) und PM (13 bis 24 Uhr).
Wenn Du zu spöt mit der Aufzeichnung angefangen hast und einen Zeitblock eingetragen hast, kannst Du die Stoppuhr für den Task einfach weiter laufen lassen. Auch bei unterberechungen – wenn das Telefon wieder mal klingelt – kannst Du die Aufzeichnung stoppen und danach weider weiterlaufen lassen. Deine Zeit wird automatisch demselben Task zugewiesen.
In der Projekt-Liste kannst Du jederzeit sehen, wie viel Zeit Du auf Deine Bereiche verwendest. Das reicht für den groben Überblick und gibt Dir zwischendurch wertvolles Feedback, ob Du zu wenig Zeit in Deine persönliche Entwicklung investierst oder zu lange mit Deinen Freunden abhängst 😉
Unter dem Menüpunkt „Reports“ findest mehr oder weniger detaillierte Infos zu Deiner Zeitverwendung. Wenn Du „Summary“ wählst, werden Deine Zeiten pro Bereich / Projekt aggregiert: Hier hast Du den generellen Überblick. Du kannst ihn auch auf Zeiträume (Tag, Woche, Monat, frei definierbarer Zeitraum) herunterbrechen. Viele Selbständige stellen hier fest, dass der Bereich „Ich“ und „Familie“ sehr wenig Zeit beansprucht hat. Denk mal darüber nach.
Jetzt geht es ans Eingemachte: Wenn Du genau wissen willst, welche Tätigkeiten sich in Deiner Kategorie (Projekt) „Berufliches“ verbergen, kannst Du unter „Reports > Detailed“ nicht nur alle Tasks sehen, sondern auch nach Projekt filtern. Zu viele Unterbrechungen durch Kollegen? Keine Zeit für Deine wichtigsten Projekte? Hier findest Du die Zeitfresser.
Werte Deine Daten richtig aus!
Egal, welches System Du zur Zeiterfassung wählst: Nach dem von Dir gesetzten Zeitraum – vielleicht schon nach einer Woche, besser nach 3 Wochen – steht die Auswertung Deiner Daten an. Du hast jetzt eine belastbare Grundlage für Dein Verhalten in Arbeit und Freizeit!
Überprüfe zuerst, wo die wenigste Zeit hinfleißt. Herzlichen Glückwunsch, wenn es sich dabei um den Posten Fahrzeiten handelt. Meiner Erfahrung nach kommen aber im privaten Bereich Familie, Freunde und besonders die Selbstfürsorge meist zu kurz. Wenn das bei Dir so ist, solltest Du genau anschauen, wofür Du hier Deine Zeit verwendest.
Wenn Du als Angestellte keine Option hast, die absoluten Zeiten zu verändern, schau doch einmal in die Details, ob Du die Qualität verbessern kannst. Fortbildung und Meditation für Dich statt Couchsurfen, Spiele und Gespräche statt Shopping für Deine Familie. Versuche Dinge, die sich outsourcen oder automatisieren lassen, so zu optimieren.
Wenn Du im beruflichen Bereich zu wenig Zeit für Deine wichtigsten Projekte findest, hilft Dir auch hier der Blick auf die Details. Vielleicht wirst Du während Deiner Arbeitszeit zu oft von Kollegen und Telefonaten unterbrochen und kannst an Deinen wichtigsten Projekten nicht ungestört arbeiten? Versuche, Dir hier geschützte Zeiten freizuhalten. Gerade für Prio 1 Projekte brauchst Du immer wieder Qualitätszeit, um weiter zu kommen.
Nimm Dir täglich Zeitblöcke, bei denen Du ungestört bist. Wenn Du es einrichten kannst: Mach die Bürotür zu, leite Deine Anrufe an den AB oder die Mitarbeiter weiter und schließe Dein E-Mail-Programm. Und dreh den Spieß einmal um: Gib Dir z.B. mit der Pomodoro-Technik kurze Zeitblöcke vor, an denen Du sicher und für Dich nachweisbar an Deinen Prio 1-Projekten arbeitest.
Verfolge Deine Ziele aktiv – auch mit kleinen Schritten. Viel Erfolg!